Hey,altes Haus - schön, dass es dich noch gibt!
Du bist schon über 100 Jahre alt, und gehörst trotzdem noch nicht zum alten Eisen! Die Kinder unter deinem Dach halten dich wohl jung, was? Wenn ich richtig gelesen habe, gibt es dich seit der Ära von Pfarrer Friedrich Zimmermann, dem “pragmatischen, weltoffenen Humanisten, der mehrere Sprachen beherrschte“. Ihm ist es zu verdanken, dass nach zähen Verhandlungen 1903 die Diakonisse Schwester Käthe Schuch als Gemeindeschwester nach Altlußheim kam. Ab 1908 übernahm sie mit einer weiteren Schwester die Leitung des neu gebauten örtlichen Kindergartens.
Mein Wissen stammt übrigens aus dem Buch “1050 Jahre Altlussheim”.
Kennen gelernt haben wir beide uns 1963, als ich mit fünf Jahren in den Kindergarten musste. Ja - musste. Denn am liebsten spielte ich mit meinen Freundinnen und Freunden auf der Straße oder irgendwo in der Landschaft. Das ging damals noch, denn Autos waren selten, andere Gefahren ebenfalls. Meine Mama versuchte mit allen Mitteln, mich im Kindergarten zu etablieren, aber lange hielt sie es nicht aus. Mama hat mich aufgrund meiner täglichen Meuterei wieder abgemeldet … Damals gab es unter deinem Dach nur zwei Kindergartengruppen. “Tante Ute” war meine “Kindergärtnerin”, die erste “Tante” mit einer richtigen Berufsausbildung.
Es gab zu meiner Zeit zwar keine “Kinderschulschwestern” mehr, aber viele nicht ausgebildete “Tanten”. Eine davon war “Tante Erna”. “Tante Erna” heißt im richtigen Leben Erna Meintrup, und wir reden immer über den Kindergarten, wenn wir uns treffen. Du kennst sie bestimmt noch, altes Haus. Denn sie hat sehr lange unter deinem Dach gearbeitet. Sie fing 1944 im Kindergarten an, als sie 15 Jahre alt war, und sollte nur ein Jahr bleiben. Doch “Schwester Bawett” sagte zu ihr: “Du bist gut, du bleibst”. Und so blieb Tante Erna bis 1978, hat so manches erlebt und kann über vieles berichten. Dass sie damals keine Ausbildung zur Erzieherin machte, ärgert sie heute noch.
1974 bin ich als Vorpraktikantin unter deinem Dach gelandet, um Erzieherin zu werden. Erstaunlich, nicht wahr? Wo ich doch als Kind gar nicht gerne in den Kindergarten gegangen bin. Eingestellt wurde ich von Herrn Pfarrer Ziegler. Der war übrigens schon damals Pfarrer, als ich den Kindergarten besuchte. Es gab 1974 immer noch viele “Tanten“, aber in diesem Jahr wurden mehrere ausgebildete Erzieherinnen eingestellt, und fast alle “Tanten” mussten gehen, bis auf “Tante Erna”. Als ich mein Praktikum begann, gab es bereits drei Kindergarten-Gruppen. Ein Anbau in den Hof hinein beherbergte die dritte Gruppe, das Außengelände hatte sich seit meiner Kindergarten-Zeit auch verändert. Und innen drin warst du auf das Neueste ausgestattet, altes Haus. Im oberen Stock wohnte damals noch die Gemeindeschwester, glaube ich. “Tante Erna” weiß das aber auch nicht mehr so genau. Geturnt haben wir anfangs im Keller des Kindergartens, später im Emil-Frommel-Haus. “Tante Erna” und ich haben im Vorfeld immer geputzt, damit zum Turnen alles sauber war.
Danach habe ich dich wegen meiner Berufsausbildung verlassen und lange Jahre nicht mehr von innen gesehen, sondern nur von dir gehört, altes Haus.
Als ich 1994 durch Herrn Pfarrer Fuchs einen Arbeitsplatz unter deinem Dach bekam, hattest du dich wieder einmal verändert - jedoch die meisten Teile der Inneneinrichtung waren mir noch gut bekannt: Küche und Möblierung in den einzelnen Gruppen sahen aus wie anno dazumal. Im oberen Stock hatte es eine Arztpraxis gegeben, die ausgezogen war. Jetzt waren dort nach Umbauten der Turnraum untergebracht, eine hochmoderne Küche mit Mikrowelle sowie der Personalraum. Eine Gemeindeschwester wohnte auch nicht mehr da oben.
Es kam der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz im Jahre 1996. Eine vierte Kindergarten-Gruppe wurde behindertengerecht angebaut und in Betrieb genommen; das Außengelände um ein Grundstück im Niederfeld erweitert, damit alle Kinder Platz zum Spielen im Freien hatten. Ein fünfter Gruppenraum schlummerte im Obergeschoss des Neubaus als Rohbau, für alle Fälle.
Was hast du dir eigentlich dabei gedacht, als 2008 im Erdgeschoss des Neubaus eine Krippengruppe eingerichtet wurde? Ich staune immer noch darüber, dass es sie gibt. Sie ist eine echte Bereicherung für unsere Einrichtung, oder? Ich jedenfalls besuche die Krippe sehr, sehr gerne.
Und vor ein paar Jahren hat man dich von außen verschönert, damit die Straßenfront aussieht wie früher, als du noch jung warst, altes Haus. Frau Pfarrerin Kraus hat damals dafür gesorgt, dass alles seinen Weg geht. Die neuen Fenster und Rollläden lassen die Hitze nicht gar so sehr eindringen, damit wir es auch im Sommer unter deinem Dach wenigstens einigermaßen aushalten können.
Dann kam das Jahr 2012. Weißt du noch, was sich da alles getan hat? Der Rohbau im Obergeschoss des Neubaus wurde doch tatsächlich noch zu einem Gruppenraum ausgebaut, und die beiden Außengelände endlich einmal den heutigen Zeiten angepasst. Naturnah, wie es so schön heißt. Viele Eltern haben damals an mehreren Wochenenden bei der Arbeit mitgeholfen, ebenso unser Herr Pfarrer Zaiss sowie Herr Bürgermeister Beck.
Wie fühlst du dich, altes Haus, seitdem wir im selben Jahr unseren Betrieb auf ganztags umgestellt haben, und unter deinem Dach bis halb fünf Kinderlachen zu hören ist? Hättest du jemals gedacht, dass man dich so brauchen würde?
Weißt du, was mir aufgefallen ist in all den Jahren, die ich unter deinem Dach arbeite? Nicht nur mir, sondern auch meinen Kollegen und Kolleginnen gefällst du. Viele bleiben lange Jahre unter deinem Dach hängen, und wir haben keine Not wenn es darum geht, neues Personal zu finden. Danke, dass du uns so gut beherbergst!
Was ich dir noch sagen wollte, altes Haus: Ich mag dich!
Vielleicht, weil ich dich schon so lange kenne. Vielleicht aber auch deshalb, weil du dich immer wieder veränderst. Und ich verändere mich sehr gerne mit dir.
Elke Herrmann
Weitere Informationen zur Einrichtung: